„Die Gruppe wurde meine neue Familie“ | Remscheid

2021-12-14 17:43:54 By : Mr. Victor Xie

Julia (19) lebte beim Evangelischen Jugendhilfedienst. Heute macht sie eine Ausbildung und wird ambulant betreut

Remscheid. Als sich ihre Eltern trennten, habe es zu Hause ziemliche Aufregung gegeben, sagt Julia (19, Name von der Redaktion geändert). Ihre Mutter zog weg und die jüngeren Geschwister wurden in einer Anstalt untergebracht. Nur Julia blieb zunächst bei ihrem Vater, weil sie "immer Papa" war. "Aber dann gab es immer mehr Spannungen zwischen uns, mein Vater trank viel und ich ging nicht mehr zur Schule", sagt sie. Nachdem sie einige Zeit bei ihrer älteren Schwester gelebt hatten, gingen beide zum Jugendamt und ließen sich beraten, wo Julia ein neues Zuhause finden könnte. Die junge Frau aus Remscheid hat sich mehrere Institutionen angeschaut. Sie entschied sich schließlich für die Wohngruppe Intzestraße des Evangelischen Jugendhilfedienstes Bergisch Land (EJBL). Im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung, wie sie heute sagt.

Aber für Julia fühlte es sich damals nicht so an. Einen Monat nach ihrem 16. Geburtstag bezog sie das Haus mit acht Zimmern und einer eigenständigen Wohnung mit nur einem Koffer. „Ich bin kein Philanthrop. Und war der Lebensweise abgeneigt“, gibt sie zu. „Sie werden zuerst Fremden vorgestellt. Acht ganz unterschiedliche junge Leute mit ihren Problemen und Geschichten, die schon eine feste Gruppe sind. Und dann kommst du dazu. Wie in der Schule. „Das war eine große Veränderung für sie. „Ich hatte auch das kleinste Zimmer. Aber es half, dass ich später meine eigenen Möbel bekam. Sonst fühlst du dich, als ob dir nichts gehört. "

Der Alltag war strukturiert. Die Betreuer, die rund um die Uhr da waren, weckten die Jugendlichen morgens. Dann war Schule, Mittagessen, etwas Freizeit, gemeinsames obligatorisches Abendessen um 19 Uhr, um 22 Uhr mussten alle in der Gruppe sein. „Das obligatorische Abendessen war nervig“, sagt Julia.

Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis sie innerlich dort ankam und akzeptierte: Das ist jetzt mein neues Zuhause. Und um mit den anderen warm zu werden. Von da an hatte sie eine Familie. Als plötzlich einer der Betreuer starb, der für die Jugendlichen „der Papa“ war, sei das ein großer Schock gewesen, sagt Julia. Zu ihrem eigenen Vater hat sie keinen Kontakt mehr. Zu ihrer Mutter nur ab und zu.

"Viele denken, wir können mit unserem Leben nichts anfangen, weil wir aus der Jugendhilfe kommen."

Zuerst besuchte sie die Realschule, wollte dann das Berufskolleg machen, was nicht geklappt hat. Sie versuchte einen Neuanfang bei der VHS, der ebenfalls scheiterte. Nach einem Praktikum in einer Kinderspielgruppe schöpfte sie neue Energie und machte schließlich ihr Abitur an der VHS – die Pionierin für ihren zukünftigen Weg. Denn im Oktober 2020 hat Julia ihre Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer allgemeinmedizinischen Praxis in Wermelskirchen begonnen, wo sie bis heute tätig ist. Zukünftig möchte sie im Operationssaal arbeiten. „Viele denken, wir können mit unserem Leben nichts anfangen, weil wir aus der Jugendhilfe kommen“, sagt sie.

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Für die Remscheiderin bedeutete ihr 18. Geburtstag auch: Sie müssen bald ausziehen. Denn wenn der junge Erwachsene 18 wird, soll er sich langsam in ein eigenständiges Leben verwandeln. „Das war ein großer Druck für mich. Es fühlte sich an, als würde ich rausgeschmissen. "

Doch so ist es nicht, erklärt EJBL-Geschäftsführerin Silke Gaube. Die Unterbringung in einer stationären Jugendhilfe ist sehr teuer, aber eine Pflichtaufgabe für die Kommune. Trotzdem muss dann individuell mit dem Jugendamt geklärt werden, wie es weitergeht. Im Einzelfall kann es sein, dass ein Jugendlicher beispielsweise bis zum 20. Lebensjahr in der Gruppe lebt und dann ambulant Hilfe erhält. Die stationäre Jugendhilfe ist nur bis zum Ende des 18. Lebensjahres Pflichtaufgabe. Der junge Erwachsene muss dann einen Antrag auf Unterstützung für junge Erwachsene stellen. „Die jungen Leute, die mit 18 Jahren bei uns ausziehen, sind noch nicht so weit“, sagt Moritz Alexander, Kindererzieher und Sozialarbeiter. Er ist einer von zwei Betreuern der zwölf „SBWler“. SBW steht für sozialpädagogisch betreutes Wohnen. Das Team nimmt am Startpunkt sein Leben selbst in die Hand und hilft bei bürokratischen Angelegenheiten, hat aber auch immer ein offenes Ohr.

Also auch für Julia. Im Dezember 2020 bezog sie ihre eigene kleine Wohnung in der Altstadt von Lennep, die sie von einem Vorgänger übernehmen konnte. Ihre Gruppe half ihr beim Umzug. Und dann musste sie plötzlich alles selbst machen: waschen, kochen, arrangieren. „Das war so holprig! Alleine von 0 auf 100. Da ist es gut zu wissen, dass da noch jemand im Hintergrund ist. Es gibt immer noch Dinge, die mich überfordern. Briefe zum Beispiel.“ Anfangs ging Julia noch zu ihrer Gruppe. "Hier habe ich meine beste Freundin kennengelernt."

Alle sechs Monate gibt es jetzt ein Hilfeplanungsgespräch mit den Referenzausbildern, dem Jugendamt. Dann wird geklärt: Was passt zum Jugendlichen und was nicht? Und was sind seine Ziele? Gegebenenfalls wird ein Verlängerungsantrag gestellt. Moritz Alexander und Heidrun Neitzel ziehen sich dann langsam mit ihrer Arbeit zurück, bleiben aber auch später in Kontakt. Weihnachten wird auf jeden Fall gemeinsam gefeiert: mit leckerem Essen.

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